Andia Kapitel 3 -Graues Blut-
Kapitel 3
:.Graues Blut.:
Sein müdes Ross ritt ihn durch die karge wüste Landschaft. Die Bewegungen waren schwerfällig und brachten den Reiter ins Schwanken. Die abgenutzten Hufen wirbelten Wolken heißen Staubs auf, der sich schmerzvoll in seine Haut brannte und ihr hierdurch einen matten Glanz verlieh. Der graue Reiter schritt dem grellen Licht entgegen, das die triefrote Sonne über die Gesamtheit des Horizonts goss, den sie fast ganz zu füllen schien. Ohne Pause und mit unveränderbarer Geschwindigkeit glitt er scheinbar zielstrebig über das leere Land, aus dessen Herzen unaufhörlich Gasiere schwarzen Dunstes aufstiegen. Nein, das Land blutete. Es pfiff an ihm vorbei ohne ihn zu beeinträchtigen und seinen Lauf zu stören. Wie ein grauer Falter schlang er sich zum Licht des Untergangs. Sein langer Umhang wehte im schneidenden Wind, der ihn mitzureißen versuchte. Ein modderiger Geruch lag in der rostigen Luft voller Staub und Schwärze. Der Untergrund wechselte und wurde schlammiger. Das Ross stieg über halb verfaulte Wurzeln, die wie Finger toter Hände sich nach dem blinden Reiter streckten. Eine Augenbinde, ein dreckiges Tuch, war um seinen Kopf gewickelt und verdeckte den Rest seiner Augen. Seine vernarbte Hand, aus der einige Venen austraten und zu platzen drohten, hielt die Zügel stramm und zitterte kaum. Die heiße Asche hatte ihr weiter zugesetzt. Er ritt. Mit einem Huf trat das mattglänzende Ross in den Schädel eines Menschen, der den Mund zu einer Grimasse aufgerissen im Matsch vermoderte, und brach in ihn mit einem lauten Schluchzen ein. Er ritt dem Horizont entgegen, der Wärme der triefroten Sonne zu. Mit einem Ruck brach der Schädel lautstark vom Hals seines ehemaligen Trägers, der zurück in den Dreck flog, und schritt, immer noch am Huf verkeilt, mit dem Ross. Zerfetzte Haut und Organreste schleiften über den Grund und rieben sich an ihm ab. Die Wärme kam immer näher. Er spürte es mit seinem Blut, das immer stärker durch die herausstehenden Adern strömte.
Schweißgebadet und mit winzigen Pupillen schreckte Seb aus dem Schlaf. Es war kein Schlaf im eigentlichen Sinne. Viel mehr hatte er das Gefühl aus einem Koma zu erwachen, das höllischen Qualen glich, und einem Traum so wirklich wie seine Schmerzen, die plötzlich über seinen gesamten Körper krochen und ihn erschaudern ließen. Und selbst das Schaudern allein ließ ihn beinahe wieder das Bewusstsein verlieren. Sein Kopf knallte wieder gegen eine Steinplatte, auf die er gebettet war. Nein, es war eine Mauer oder eine Wand und fühlte sich kalt und hart an. Die Schmerzen wechselten nun die Richtung und schossen ihm vom blutenden Bein, über die Wirbelsäule, die sich versteifte, hoch in den Schädel. Seb versuchte nicht mehr gegen die Schmerzen anzukämpfen und ließ die Augenlieder zufallen, die er verkrampft weit aufgerissen hatte.
Wo befand er sich? Etwas regte sich in seinem Kopf. Natürlich, er befand sich zuhause, einer kleinen Holzhütte im Armenviertel. Ja er war daheim und alles war vergessen. Sein Leben im Armenviertel zusammen mit seiner Mutter befand sich tag täglich auf Messers Schneide. Nicht, dass er Angst haben musste, ein Einbrecher oder Raubmörder würde sie aufsuchen und töten. Ganz im Gegensatz zu reicheren Bürgern der Stadt, die sich immer wieder neue Alarmanlagen anschaffen mussten. Doch solche Magie war in Sebs Fall nicht nur unnötig, sondern auch überflüssig. Es gab einfach nichts zu holen, wenn man sich selbst nicht durchfüttern konnte. Auf Sebs Gesicht wurde es warm. Es muss ein neuer Tag begonnen haben und es war Zeit durch die Marktstände zu schleichen, immer auf der Suche nach einem Stück Brot oder einem losen Geldbeutel. Leider war in solchen Zeit die Ausbeute nie besonders groß und mit dem ersteren wär er schon mehr als zufrieden gewesen. Die wenigen Menschen mit prallen Geldbeuteln waren nicht so dumm die gleichen Märkte zu benutzen oder ohne Gefolgsleute und einer ordentlichen Prise Magie auf die Strasse zu gehen. Da war aber noch etwas. Seb strich mit der Hand über den Grund, der aus bröckligen Steinen bestand. Es sammelte sich, gleich würde er aufstehen und seine Mutter wiedersehen. Die Frau, die er Mutter nannte. Die Frau, die ihn aufgezogen hat. Seinen Vater kannte er nicht. Ein Fremder, der noch nicht mal seinen Schatten durch Sebs Erinnerungen hinter sich herschleifte. Er kannte noch nicht einmal seine leiblichen Eltern und war sich nicht sicher ob er je welche hatte. Doch dies war sicher. Genauso wie, dass er ein ausgesetztes Findelkind war, dessen Eltern vielleicht längst die Stadt verlassen, ermordet oder inhaftiert worden sind, was aber wohl in jedem Fall das selbe bedeutete. Letztlich waren sie ihm aber egal. Sie waren nichts als Staub und Luft, purste Dunkelheit, die stets sein Begleiter gewesen ist.
Sie aber war da. Sie war nicht Luft. Aus seinem tiefsten Bewusstsein stieg ihr Gesicht hervor. Sie war wunderschön, helles leicht ergrautes Haar, einige Falten und die glänzenden Augen. Sie flog durch die Luft und schaute ihn an. So graziös und schön. Und jetzt würde er aufstehen und zu ihr gehen. Er spannte die Muskeln an und verspürte einen Krampf. Er musste sich erheben. Sie glitt immer noch durch die Weiten seines Bewusstseins und er starrte in ihre glänzenden Augen. Schaute sie zurück? Sie war da und er musste zu ihr. Die Wärme in seinem Gesicht wuchs und Seb spannte allen Schmerzen zu Trotz die Muskeln an. Doch er fiel sofort wieder zu Boden und knallte mit dem Kopf gegen Stein. Der Nebel seines Bewusstseins lichtete sich und da war sie. Ihr starrendes Gesicht durchzog die Luft und drehte sich. Er warf einen Blick tief in ihre großen leuchtenden Augen. Welche Frage stellten sie ihm und wär er im Stande gewesen sie zu beantworten? Der graziöse Tanz in der Luft ging über in eine Schwebe. Dann schlug es am Boden auf. Seb schrie. Er musste fliehen doch der Schock war zu groß. Sie lächelte ihn an, als ruckartig die Klinge durch ihren Hals wanderte. Eine Blutfontäne spritze bis an die Decke. Die Stille übertönte jedoch das Platschen des Blutes und den dumpfen Aufprall ihres massiven Körpers auf den Boden. Mit letzter Anstrengung sprang er durch das Fenster. Nein er war nicht daheim. Er hatte keins. Es war nie da und er musste die Flucht ergreifen, Flucht vor seiner Vergangenheit, Zukunft und dem, was ihn verfolgte. Dem, was sie tötete und nun hinter ihm her war um es zu Ende zu bringen. Die Wärme im Gesicht wurde zur Hitze und Seb schreckte zum letzten mal auf.
Es war morgen. Und er war gegen eine Wand aus festen Stein gebettet. Der Raum hatte vier Wände, einen harten Boden, auf dem er lag, und keine Decke. Die frühen Sonnenstrahlen schienen ihm direkt in die Augen. Immerhin war er am Leben. Langsam entsinnte er sich an die furchtbaren Ereignisse der letzten Nacht. Das letzte, woran er sich erinnern konnte war ein schwarzes Loch, ein Pistolenlauf. Er musste allein sein, dort wo ihn der mysteriöse Mann hin geschliffen hatte. Ob er ihn umbringen würde? Ausrauben kam nicht infrage, doch zum Töten hätte er genug Zeit gehabt. Aber das wichtigste war, ihm blieb ein Fetzen seines Lebens und ihn galt es zu hüten. Die vielen Gedanken, die aus seinem Hinterkopf strömten wurden von etwas durchbrochen, das von viel tiefer kam. Er war schwach und brauchte etwas zu essen.