Thursday, July 05, 2007

Andia Kapitel 3 -Graues Blut-

Kapitel 3

:.Graues Blut.:

Sein müdes Ross ritt ihn durch die karge wüste Landschaft. Die Bewegungen waren schwerfällig und brachten den Reiter ins Schwanken. Die abgenutzten Hufen wirbelten Wolken heißen Staubs auf, der sich schmerzvoll in seine Haut brannte und ihr hierdurch einen matten Glanz verlieh. Der graue Reiter schritt dem grellen Licht entgegen, das die triefrote Sonne über die Gesamtheit des Horizonts goss, den sie fast ganz zu füllen schien. Ohne Pause und mit unveränderbarer Geschwindigkeit glitt er scheinbar zielstrebig über das leere Land, aus dessen Herzen unaufhörlich Gasiere schwarzen Dunstes aufstiegen. Nein, das Land blutete. Es pfiff an ihm vorbei ohne ihn zu beeinträchtigen und seinen Lauf zu stören. Wie ein grauer Falter schlang er sich zum Licht des Untergangs. Sein langer Umhang wehte im schneidenden Wind, der ihn mitzureißen versuchte. Ein modderiger Geruch lag in der rostigen Luft voller Staub und Schwärze. Der Untergrund wechselte und wurde schlammiger. Das Ross stieg über halb verfaulte Wurzeln, die wie Finger toter Hände sich nach dem blinden Reiter streckten. Eine Augenbinde, ein dreckiges Tuch, war um seinen Kopf gewickelt und verdeckte den Rest seiner Augen. Seine vernarbte Hand, aus der einige Venen austraten und zu platzen drohten, hielt die Zügel stramm und zitterte kaum. Die heiße Asche hatte ihr weiter zugesetzt. Er ritt. Mit einem Huf trat das mattglänzende Ross in den Schädel eines Menschen, der den Mund zu einer Grimasse aufgerissen im Matsch vermoderte, und brach in ihn mit einem lauten Schluchzen ein. Er ritt dem Horizont entgegen, der Wärme der triefroten Sonne zu. Mit einem Ruck brach der Schädel lautstark vom Hals seines ehemaligen Trägers, der zurück in den Dreck flog, und schritt, immer noch am Huf verkeilt, mit dem Ross. Zerfetzte Haut und Organreste schleiften über den Grund und rieben sich an ihm ab. Die Wärme kam immer näher. Er spürte es mit seinem Blut, das immer stärker durch die herausstehenden Adern strömte.

Schweißgebadet und mit winzigen Pupillen schreckte Seb aus dem Schlaf. Es war kein Schlaf im eigentlichen Sinne. Viel mehr hatte er das Gefühl aus einem Koma zu erwachen, das höllischen Qualen glich, und einem Traum so wirklich wie seine Schmerzen, die plötzlich über seinen gesamten Körper krochen und ihn erschaudern ließen. Und selbst das Schaudern allein ließ ihn beinahe wieder das Bewusstsein verlieren. Sein Kopf knallte wieder gegen eine Steinplatte, auf die er gebettet war. Nein, es war eine Mauer oder eine Wand und fühlte sich kalt und hart an. Die Schmerzen wechselten nun die Richtung und schossen ihm vom blutenden Bein, über die Wirbelsäule, die sich versteifte, hoch in den Schädel. Seb versuchte nicht mehr gegen die Schmerzen anzukämpfen und ließ die Augenlieder zufallen, die er verkrampft weit aufgerissen hatte.
Wo befand er sich? Etwas regte sich in seinem Kopf. Natürlich, er befand sich zuhause, einer kleinen Holzhütte im Armenviertel. Ja er war daheim und alles war vergessen. Sein Leben im Armenviertel zusammen mit seiner Mutter befand sich tag täglich auf Messers Schneide. Nicht, dass er Angst haben musste, ein Einbrecher oder Raubmörder würde sie aufsuchen und töten. Ganz im Gegensatz zu reicheren Bürgern der Stadt, die sich immer wieder neue Alarmanlagen anschaffen mussten. Doch solche Magie war in Sebs Fall nicht nur unnötig, sondern auch überflüssig. Es gab einfach nichts zu holen, wenn man sich selbst nicht durchfüttern konnte. Auf Sebs Gesicht wurde es warm. Es muss ein neuer Tag begonnen haben und es war Zeit durch die Marktstände zu schleichen, immer auf der Suche nach einem Stück Brot oder einem losen Geldbeutel. Leider war in solchen Zeit die Ausbeute nie besonders groß und mit dem ersteren wär er schon mehr als zufrieden gewesen. Die wenigen Menschen mit prallen Geldbeuteln waren nicht so dumm die gleichen Märkte zu benutzen oder ohne Gefolgsleute und einer ordentlichen Prise Magie auf die Strasse zu gehen. Da war aber noch etwas. Seb strich mit der Hand über den Grund, der aus bröckligen Steinen bestand. Es sammelte sich, gleich würde er aufstehen und seine Mutter wiedersehen. Die Frau, die er Mutter nannte. Die Frau, die ihn aufgezogen hat. Seinen Vater kannte er nicht. Ein Fremder, der noch nicht mal seinen Schatten durch Sebs Erinnerungen hinter sich herschleifte. Er kannte noch nicht einmal seine leiblichen Eltern und war sich nicht sicher ob er je welche hatte. Doch dies war sicher. Genauso wie, dass er ein ausgesetztes Findelkind war, dessen Eltern vielleicht längst die Stadt verlassen, ermordet oder inhaftiert worden sind, was aber wohl in jedem Fall das selbe bedeutete. Letztlich waren sie ihm aber egal. Sie waren nichts als Staub und Luft, purste Dunkelheit, die stets sein Begleiter gewesen ist.
Sie aber war da. Sie war nicht Luft. Aus seinem tiefsten Bewusstsein stieg ihr Gesicht hervor. Sie war wunderschön, helles leicht ergrautes Haar, einige Falten und die glänzenden Augen. Sie flog durch die Luft und schaute ihn an. So graziös und schön. Und jetzt würde er aufstehen und zu ihr gehen. Er spannte die Muskeln an und verspürte einen Krampf. Er musste sich erheben. Sie glitt immer noch durch die Weiten seines Bewusstseins und er starrte in ihre glänzenden Augen. Schaute sie zurück? Sie war da und er musste zu ihr. Die Wärme in seinem Gesicht wuchs und Seb spannte allen Schmerzen zu Trotz die Muskeln an. Doch er fiel sofort wieder zu Boden und knallte mit dem Kopf gegen Stein. Der Nebel seines Bewusstseins lichtete sich und da war sie. Ihr starrendes Gesicht durchzog die Luft und drehte sich. Er warf einen Blick tief in ihre großen leuchtenden Augen. Welche Frage stellten sie ihm und wär er im Stande gewesen sie zu beantworten? Der graziöse Tanz in der Luft ging über in eine Schwebe. Dann schlug es am Boden auf. Seb schrie. Er musste fliehen doch der Schock war zu groß. Sie lächelte ihn an, als ruckartig die Klinge durch ihren Hals wanderte. Eine Blutfontäne spritze bis an die Decke. Die Stille übertönte jedoch das Platschen des Blutes und den dumpfen Aufprall ihres massiven Körpers auf den Boden. Mit letzter Anstrengung sprang er durch das Fenster. Nein er war nicht daheim. Er hatte keins. Es war nie da und er musste die Flucht ergreifen, Flucht vor seiner Vergangenheit, Zukunft und dem, was ihn verfolgte. Dem, was sie tötete und nun hinter ihm her war um es zu Ende zu bringen. Die Wärme im Gesicht wurde zur Hitze und Seb schreckte zum letzten mal auf.
Es war morgen. Und er war gegen eine Wand aus festen Stein gebettet. Der Raum hatte vier Wände, einen harten Boden, auf dem er lag, und keine Decke. Die frühen Sonnenstrahlen schienen ihm direkt in die Augen. Immerhin war er am Leben. Langsam entsinnte er sich an die furchtbaren Ereignisse der letzten Nacht. Das letzte, woran er sich erinnern konnte war ein schwarzes Loch, ein Pistolenlauf. Er musste allein sein, dort wo ihn der mysteriöse Mann hin geschliffen hatte. Ob er ihn umbringen würde? Ausrauben kam nicht infrage, doch zum Töten hätte er genug Zeit gehabt. Aber das wichtigste war, ihm blieb ein Fetzen seines Lebens und ihn galt es zu hüten. Die vielen Gedanken, die aus seinem Hinterkopf strömten wurden von etwas durchbrochen, das von viel tiefer kam. Er war schwach und brauchte etwas zu essen.

Andia Kapitel 2 -Pforte-

Kapitel 2
:.Pforte.: (wird noch stark überarbeitet)

Das Kaminfeuer verlieh dem Raum eine warme Atmosphäre. Die Flammen loderten lautstark und die Schatten, die Möbel und Einrichtung warfen, tanzten wie besessen. Im gemütlichen Sessel ruhend genoss er die nächtliche Stunde im Halbschlaf. Die Wärme strich über seine Beine, kletterte über seinen Körper empor nach oben zu seinem Gesicht. Sie glitt über die unzähligen Narben und ließ seine lange Nase einen lebhaften Schatten über die alte raue Haut werfen. Die trüben Augen eines alten Greises starrten halb verdeckt durch die dichten Brauen ins tobende Feuer.
Die Wände des Zimmers waren geschmückt mit teuren Gemälden, auf denen menschliche Gesichter, zahllose Augen, in die Wärme des Raumes blickten und jede Bewegung der Flammen und Funken wahrzunehmen schienen. Mitten im Zimmer stand ein großer robuster Holztisch, auf dem eine seit langer Zeit unbeendete Schachpartie gnädig auf die Erlösung wartete. Ein Warten, das bald verbrannt und verkohlt die letzte Ruhe finden würde. Die Figuren hatten längst ein Eigenleben entwickelt und führten auf dem gekachelten Brett ein beeindruckendes Schauspiel aus Licht und Schatten auf.
Er saß immer noch da und ließ sich vom Sog des Feuers einfangen und in sich wegzerren, immer weiter ins knisternde Helle, wo auf dem Grund altes Zwergbaumholz lag. Es war rissig und überdeckt mit einer Ascheschicht. So rar das teure Gut auch war, die Hitze, die aus dieser Glut pochte, blieb viel länger erhalten als bei einfacher Kohle, wenn auch hier das Erlöschen unabwendbar war. Sein weicher kunstvoll gestalteter Sessel schickte einen langen und springenden schwarzen Umhang vom Kaminfeuer weg in die Tiefe des Raumes. Der Schatten fiel auf die massive Holztür mit schwerem Eisenriegel, der vor Jahrzehnten dem Hammer eines Schmieds entsprang.
Draußen war Nacht. Doch sie drang nicht ins Innere durch die gesicherte Tür ein und blieb verborgen, wo sie sein sollte. Doch es gab noch etwas. Einen Schritt. So unscheinbar laut und kräftig, dass er sich von der Stille abhob, die Andia nachts heimgesucht hatte. Jemand klopfte an die Pforte, die wie eine magische Barriere die krächzende Dunkelheit am Eindringen hinderte. Sein Kopf drehte sich erschrocken in die Richtung, aus der er meinte das Geräusch wahrzunehmen. Es klopfte erneut. Hastig stand er auf und näherte sich mit hinkenden kurzen Schritten der Tür. Wie ein gehorsamer Diener eilte ihm sein schwarzer Schatten voraus. Vor dem Holz blieb er bewegungslos stehen und lauschte. Sein Atem ging schwer und schmeckte rostig. Er versuchte dies zu unterdrücken. Ein weiteres Klopfen folgte, diesmal lauter als die beiden vorangegangenen Schläge. Dann stimmte auch sein Herz mit an. “Wer, wer ist da?” “Ich bins. Mach auf!” Er zögerte. Doch sein Schatten schlang sich bereits um den Eisenriegel. Mit einem Knurren schob sich der Riegel zur Seite und verharrte. Er öffnete die Tür und wurde von einem hellen Blitz überrascht, der sich über den Nachthimmel zerstreute und förmlich die Gestalt vor ihm präsentierte. “Guten Abend, sehr geehrter Chrysois”, entgegnete ihm die Gestalt als sie gemächtlich ins Innere trat. “Sie? Was verschafft mir die Ehre, hochgeschätzter Grygos?” “Ich fühle mich geschmeichelt. Doch braucht es einen Grund, dass man einem alten Freund einen Besuch abstattet?” “Ich habe nicht oft Besuch, vor allem nicht von Obersten der schwarzen Kutten.” “Sie haben sich kein bisschen verändert, Patrizier.” Die beiden Männer blieben eine Zeit lang stehen bis Grygos sich zum Tisch begab und dabei den Gastgeber aus dem Weg schubste. Er streifte an ihm vorbei, was, hätte Chrysois keine Lederweste über dem sauberen Hemd getragen, sicherlich ein paar Kratzer hinterlassen hätte. Sein Besuch schien neben der Farbe Schwarz auch eine Vorliebe für Dornenverziehrungen entwickelt zu haben, seit sie sich das letzte Mal unter freundlicheren Umständen getroffen hatten. Doch die Weste war hin und Chrysois überlief eine Vorahnung, die schon beim ersten Hämmern an seine Pforte an ihm nagte. Chrysois war nicht abergläubisch und zählte in höheren Kreisen als brillanter Politiker und hochangesehenes Mitglied des Stadtrates von Andia. Viele, viele hatten sich von seiner Gebrechlichkeit täuschen lassen und waren in Versuchung geraten, ihn zu einer Marionette, einer auf Stricken hängenden Figur, zurecht zu schneiden. Doch diesmal hatte er sich womöglich verspielt oder er war tatsächlich so alt wie er aussah. Ein Greis, aus dem alles Leben gewichen ist, stand ergraut, bleich und mit blutunterlaufenen Augen, auf dem Boden unter der Tür seines eigenen Hauses, die Weste, ein teueres Erbstück, mit tiefen Furchen.
Grygos war kein Mann vieler Worte. Das Spiel mit den springenden Schatten und Lichtern schien ihn auf absonderliche Weise zu faszinieren. Der Gastgeber verschloss hastig die Tür, kurz nachdem er sich vergewissert hatte, dass er keine weiteren Gäste erwartete. Durch die enge Schwelle zwängte sich quietschend ein Teil seines Geistes hinaus, der wie Dampf aus einer tödlichen Wunde in die frostige Nacht aufstieg. Die verworrenen menschlichen Augen auf den Wandgemälden starrten ihn an. Ein Schweißtropfen entsprang seiner Stirn, lief über die Falten und rollte über den Nasenhügel. Er schluckte. Nun wand er sich wieder dem nächtlichen Besuch zu, der die Figuren auf dem bemalten Brett anhob und sie betrachtete. Das schmale Lächeln, das sich über seinen grotesken Mund zog als er sich ebenfalls umdrehte, immer noch eine der Figuren in der Hand, ließ Chrysois erschaudern. Die in samtig schwarze Handschuhe gehüllte Finger glitten über die Oberfläche der Figur als sich ihre Augen begegneten.