Thursday, July 05, 2007

Andia Kapitel 2 -Pforte-

Kapitel 2
:.Pforte.: (wird noch stark überarbeitet)

Das Kaminfeuer verlieh dem Raum eine warme Atmosphäre. Die Flammen loderten lautstark und die Schatten, die Möbel und Einrichtung warfen, tanzten wie besessen. Im gemütlichen Sessel ruhend genoss er die nächtliche Stunde im Halbschlaf. Die Wärme strich über seine Beine, kletterte über seinen Körper empor nach oben zu seinem Gesicht. Sie glitt über die unzähligen Narben und ließ seine lange Nase einen lebhaften Schatten über die alte raue Haut werfen. Die trüben Augen eines alten Greises starrten halb verdeckt durch die dichten Brauen ins tobende Feuer.
Die Wände des Zimmers waren geschmückt mit teuren Gemälden, auf denen menschliche Gesichter, zahllose Augen, in die Wärme des Raumes blickten und jede Bewegung der Flammen und Funken wahrzunehmen schienen. Mitten im Zimmer stand ein großer robuster Holztisch, auf dem eine seit langer Zeit unbeendete Schachpartie gnädig auf die Erlösung wartete. Ein Warten, das bald verbrannt und verkohlt die letzte Ruhe finden würde. Die Figuren hatten längst ein Eigenleben entwickelt und führten auf dem gekachelten Brett ein beeindruckendes Schauspiel aus Licht und Schatten auf.
Er saß immer noch da und ließ sich vom Sog des Feuers einfangen und in sich wegzerren, immer weiter ins knisternde Helle, wo auf dem Grund altes Zwergbaumholz lag. Es war rissig und überdeckt mit einer Ascheschicht. So rar das teure Gut auch war, die Hitze, die aus dieser Glut pochte, blieb viel länger erhalten als bei einfacher Kohle, wenn auch hier das Erlöschen unabwendbar war. Sein weicher kunstvoll gestalteter Sessel schickte einen langen und springenden schwarzen Umhang vom Kaminfeuer weg in die Tiefe des Raumes. Der Schatten fiel auf die massive Holztür mit schwerem Eisenriegel, der vor Jahrzehnten dem Hammer eines Schmieds entsprang.
Draußen war Nacht. Doch sie drang nicht ins Innere durch die gesicherte Tür ein und blieb verborgen, wo sie sein sollte. Doch es gab noch etwas. Einen Schritt. So unscheinbar laut und kräftig, dass er sich von der Stille abhob, die Andia nachts heimgesucht hatte. Jemand klopfte an die Pforte, die wie eine magische Barriere die krächzende Dunkelheit am Eindringen hinderte. Sein Kopf drehte sich erschrocken in die Richtung, aus der er meinte das Geräusch wahrzunehmen. Es klopfte erneut. Hastig stand er auf und näherte sich mit hinkenden kurzen Schritten der Tür. Wie ein gehorsamer Diener eilte ihm sein schwarzer Schatten voraus. Vor dem Holz blieb er bewegungslos stehen und lauschte. Sein Atem ging schwer und schmeckte rostig. Er versuchte dies zu unterdrücken. Ein weiteres Klopfen folgte, diesmal lauter als die beiden vorangegangenen Schläge. Dann stimmte auch sein Herz mit an. “Wer, wer ist da?” “Ich bins. Mach auf!” Er zögerte. Doch sein Schatten schlang sich bereits um den Eisenriegel. Mit einem Knurren schob sich der Riegel zur Seite und verharrte. Er öffnete die Tür und wurde von einem hellen Blitz überrascht, der sich über den Nachthimmel zerstreute und förmlich die Gestalt vor ihm präsentierte. “Guten Abend, sehr geehrter Chrysois”, entgegnete ihm die Gestalt als sie gemächtlich ins Innere trat. “Sie? Was verschafft mir die Ehre, hochgeschätzter Grygos?” “Ich fühle mich geschmeichelt. Doch braucht es einen Grund, dass man einem alten Freund einen Besuch abstattet?” “Ich habe nicht oft Besuch, vor allem nicht von Obersten der schwarzen Kutten.” “Sie haben sich kein bisschen verändert, Patrizier.” Die beiden Männer blieben eine Zeit lang stehen bis Grygos sich zum Tisch begab und dabei den Gastgeber aus dem Weg schubste. Er streifte an ihm vorbei, was, hätte Chrysois keine Lederweste über dem sauberen Hemd getragen, sicherlich ein paar Kratzer hinterlassen hätte. Sein Besuch schien neben der Farbe Schwarz auch eine Vorliebe für Dornenverziehrungen entwickelt zu haben, seit sie sich das letzte Mal unter freundlicheren Umständen getroffen hatten. Doch die Weste war hin und Chrysois überlief eine Vorahnung, die schon beim ersten Hämmern an seine Pforte an ihm nagte. Chrysois war nicht abergläubisch und zählte in höheren Kreisen als brillanter Politiker und hochangesehenes Mitglied des Stadtrates von Andia. Viele, viele hatten sich von seiner Gebrechlichkeit täuschen lassen und waren in Versuchung geraten, ihn zu einer Marionette, einer auf Stricken hängenden Figur, zurecht zu schneiden. Doch diesmal hatte er sich womöglich verspielt oder er war tatsächlich so alt wie er aussah. Ein Greis, aus dem alles Leben gewichen ist, stand ergraut, bleich und mit blutunterlaufenen Augen, auf dem Boden unter der Tür seines eigenen Hauses, die Weste, ein teueres Erbstück, mit tiefen Furchen.
Grygos war kein Mann vieler Worte. Das Spiel mit den springenden Schatten und Lichtern schien ihn auf absonderliche Weise zu faszinieren. Der Gastgeber verschloss hastig die Tür, kurz nachdem er sich vergewissert hatte, dass er keine weiteren Gäste erwartete. Durch die enge Schwelle zwängte sich quietschend ein Teil seines Geistes hinaus, der wie Dampf aus einer tödlichen Wunde in die frostige Nacht aufstieg. Die verworrenen menschlichen Augen auf den Wandgemälden starrten ihn an. Ein Schweißtropfen entsprang seiner Stirn, lief über die Falten und rollte über den Nasenhügel. Er schluckte. Nun wand er sich wieder dem nächtlichen Besuch zu, der die Figuren auf dem bemalten Brett anhob und sie betrachtete. Das schmale Lächeln, das sich über seinen grotesken Mund zog als er sich ebenfalls umdrehte, immer noch eine der Figuren in der Hand, ließ Chrysois erschaudern. Die in samtig schwarze Handschuhe gehüllte Finger glitten über die Oberfläche der Figur als sich ihre Augen begegneten.

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