Wednesday, March 07, 2007

Wincent

Vor einiger Zeit habe ich mit einem Freund, dessen Name an dieser Stelle ungenannt werden soll, gewettet, dass ich nicht in der Lage sei, eine Geschichte über Tonnen zu schreiben. Er hat mit meiner Faulheit gerechnet... und er hätte gewonnen.
...wie gesagt hätte:

Wincent
Angeregt von Roland S.W.

Es machte Klong. Wincent saß in seiner Tonne und klopfte amüsiert auf die Wände. Die Tonne war recht klein und doch schaffte er es schon seit Kindesjahren hineinzuklettern. Nun war er 30 und lebte in einer glücklichen Ehe. Solange man die Ehe mit zwei Tonnen als glücklich bezeichnen will. Er schlug immer weiter auf die Wand zu, sodass sie mittlerweile leicht nachgab. Genau genommen saß er auch gar nicht in der Tonne sondern stand, was wiederum bedeutet, dass sie über seinen Oberkörper gestülpt war. Wincent kicherte. Die neue Art der Benutzung seiner geliebten Tonne war sehr ungewohnt für ihn. Früher reichte es aus einfach nur reinzuhüpfen, um auf den Spaß zu kommen. Das Klong klang jetzt eher wie ein dumpfes karges Bong. Wincent haute immer energischer drauf und hüpfte hin und her, ein Vorteil, sogar ein entscheidender Vorteil, wenn man die Tonne anzog anstatt im Inneren zu hocken und auf die Oma zu warten, um vor dem Schlafengehen rausgeholt zu werden. Vor dem Einschlafen gab es damals noch Kekse mit Milch und die Gutenachtgeschichte nicht zu vergessen. Aber ein solcher Krimskrams für Kinder war nicht mehr nötig. Der dreißigjährige Wincent war zu einem echten Mann heran gewachsen. Gut er hatte ein ungewöhnliches Hobby und eine Ehe, die ihres gleichen sucht. Aber wer kann sich heutzutage schon erlauben nicht anders zu sein. Immerhin hatte er vom jahrelangen Tonnenschleppen und Klopfen einen muskulösen Oberkörper bekommen, den er keiner Frau vorenthalten sollte. Was er aber zwangsläufig tat, weil die Wahrscheinlichkeit seine massiven Schultern und wassermelonengroßen Bizeps einer Frau zu präsentieren vergleichsweise gering war, wenn man den Tag in einer der beiden Tonnen verbrachte. Durch einen von ihm angebrachten Schlitz konnte er sehen wie langsam die Sonne unterging. Ein weiterer genialer Tag seines Lebens war vorbeigedüst. Wincents Schläge wurden immer unregelmäßiger. Wenn man als Nachbar tagsüber sein Hobby als Metronom nutzen konnte, war es nachts absolut für nichts tauglich. Seine Nachbarn, die Wincent übrigens mied, was sich aber als nicht weiter schwierig darstellte, weil diese darauf achteten mindestens zwei Straßen weiter zu wohnen, fanden sicherlich hierin den Grund dafür, weshalb ihn einige wenige einen Taugenichts nannten. Der Rest brach einfach nur in Lachen aus.
Damit keine von Wincents Tonnen enttäuscht oder traurig war und um Eheproblemen vorzubeugen, richtete er sich einen Wochenplan mit Excel ein. An den geraden Tagen war die grüne und an ungeraden die rote Tonne dran. Heute war Dienstag, der 3. Insofern steckte er in seiner geliebten und ältesten Tonne, der Roten Alice, wie er sie liebevoll nannte. Wobei an dieser Stelle zu erwähnen sei, dass als er die Tonne als Kind zusammen mit seinem Vater aus dem Fluß zog, sie noch gräulich und mit Algen bewachsen war, was gleichermaßen für seinen Vater galt, der zuvor wochenlang als vermisst gemeldet wurde. Wohingegen die heutige rötliche Farbe vom Rost herkam, der dem ehemaligen Ölcontainer stark zugesetzt hatte. Lange würde sie nicht mehr standhalten. Das war Wincent wohl bekannt und doch genoss er jeden Augenblick in ihr. Es war sogar eine gelungene Koexistenz. Die Rote Alice drücke sogar bei Seitenstichen mit der grünen Tonne, an jedem geraden Tag und vor allem am 29.Februar, ein Auge zu. Die Sonne war bereits untergegangen und hinterließ einige rote Sprenkel am dunklen Nachthimmel. Wincent wurde müde. Ein letztes Mal machte es Klong, woraufhin er gelangweilt seinen muskulösen Körper herauszwängte und die Tonne abwarf, um im Inneren des Hauses zu verschwinden. Um der Vewirrung entgegenzuwirken, möchte ich erwähnen, dass dieser Prozess ganz und gar nicht mit der Metapher einer hässlichen Raupe beschrieben werden kann, die aus eines Puppe verwandelt emporsteigt. Hätte er eine Veränderung jeglicher Art durchgemacht, wäre diese Metapher auf jeden Fall zum Einsatz gekommen. Doch dem war nicht so. Wincent hatte nicht dazugelernt und machte keine Anstalten auch nur das Geringste an seinem Lebensstil umzustellen. Er machte sich lediglich, wie jede Nacht, auf den Weg ins Bett, wo es einst noch Kekse und Milch gab und die Gutenachtgeschichte nicht zu vergessen. Hinter ihm blieb die Tonne bewegungslos und still liegen, die Wand ausgebeult und rostig und rot, obwohl sie früher grau bis grünlich gewesen war. Für einen Moment dachte er einen dumpfen Schlag zu hören, doch es war nur das Echo eines verstrichenen Tages, das die ganze Nacht über in seinen Träumen nachhallte.

1 Comments:

Anonymous Anonymous said...

Heyho the Gry!!
Genialistische Erzählungen über Tonnen wollte ich schon immer mal lesen ;) einfach toll. In den Staub Roland hahahaha

Max

Monday, March 19, 2007 10:12:00 PM  

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